6. Städtetour-de-Bier 2016 – Wien! Ach, Wien

Ein Bericht unseres Chronisten Brunnenbräu:

Hofreitschule, Sachertorte, Heuriger, Kaffeehäuser …

Aber auch eine interessante Bierszene. Gasthausbrauereien, Bierhäuser, Biergeschäfte.

Schon seit vielen Jahren bietet Wien auch dem Bierreisenden viel Interessantes, und so hat sich die Städtetour-de-Bier in den Jahren 2008 bis 2011 regelmäßig im ganz frühen Frühjahr aufgemacht, diese Szene zu erkunden. Vier Jahre in Folge haben wir Brauereien erkundet, Biere verkostet, Gaststätten besucht. So lange, bis wir das Gefühl hatten, nun aber auch alles Wichtige gesehen zu haben.

Fünf Jahre sind seit der letzten Städtetour-de-Bier nach Wien vergangen, und in diesen fünf Jahren hat sich auch in Wien viel getan. Einige kleine Brauereien haben geschlossen, mehrere andere neu eröffnet. Zu den klassischen Bier-Beisln kamen moderne Craftbier-Bars hinzu, und die Allerweltsgetränkemärkte werden durch Craftbier-Shops ergänzt. Viel Neues also, und somit scheint es geboten, erneut für ein verlängertes Wochenende die Stadt zu erkunden und sich für vier Tage ganz der Bierkultur zu verschreiben.

Wir treffen uns am 24. Februar 2016 im The Brickmakers Pub & Kitchen (Sinister: Im Sommer 2019 nach Insolvenz geschlossen).

Wir, das heißt ein Dutzend Bierliebhaber aus ganz Deutschland, sowie vier in der österreichischen Kampagne für Gutes Bier engagierte Freunde. Biergespräche, fleißiges Verkosten und das Besprechen der nächsten Tage, und so verfliegt der Abend im Nu. Man ist noch ein wenig müde von der mehr oder weniger langen Anreise, und angesichts des spannenden Programms der nächsten Tage wird der Abend nicht zu lang.

Der 25. Februar 2016, ein Donnerstag, beginnt in der 1516 The Brewing Company mit einer ausführlichen Brauereibesichtigung, gefolgt von einem gemütlichen Bummel über den Naschmarkt, einem Abstecher im BeerLovers Craft Beer Store und einem Besuch im von früheren Städtetouren schon vertrauten Wieden Bräu.

Aber nur kurz ist die Verschnaufpause hier, den schon auf dem Naschmarkt hatten wir den Verkaufsstand der Bier- und Essigbrauerei Gegenbauer besucht, und nun steht eine ausführliche Betriebs- und Brauereibesichtigung bei Erwin Gegenbauer an. Brot, Essig, Bier, Gurken, Honig, Kaffee – es gibt fast nichts, was hier nicht selbst produziert und dem Gedanken der Kreislaufwirtschaft folgend wiederverwertet wird (Sinister: Bier wird bei Gegenbauer seit 2017 nicht mehr gebraut, es übernahm die Brauerei Hofstetten).

Vom Biologisch-Feinsinnig-Exotischen zur modernen Szene heißt es dann am Abend, und die Beaver Brewing Company verwöhnt uns mit modernen Bierstilen, szenigem Essen und lauter Musik. Ein ganz normaler Wochentag, und trotzdem ist es brechend voll. Hier trifft sich die junge Generation und duldet uns alte Säcke mit freundlicher Toleranz.

Nach diesem vollgepackten Tag lassen wir es am Freitag, dem 26. Februar 2016 ruhiger angehen. Kultur ist angesagt. Im Unteren Belvedere geht eine Ausstellung über die Wiener Künstler Klimt, Schiele und Kokoschka zu Ende und wir können an einem der letzten Ausstellungstage deren doch recht wunderliches Werk bestaunen. Unteres Belvedere heißt aber immer auch ein Abstecher ins Salm Bräu, das direkt nebenan sein Sudhaus stehen hat. Scharfes Chilibier und ein paar klassische Biersorten geben Kraft für die nächsten Stationen unseres Ausflugs.

Gerade erst gegründet wurde die winzige Xaver Brauerei (RL: Die Brauerei stellte im Frühjahr 2020 den Betrieb ein, letztmalig geöffnet am 15.05.2020). Das Sudwerk der ehemaligen Bierzauberei in Brunn am Gebirge vor den Toren Wiens, eine Brauerei, die wir vor ein paar Jahren im Rahmen einer Städtetour besucht hatten, steht jetzt im 16. Bezirk in einer ehemaligen Konditorei und wird von zwei Hausbrauern, na, fast hätte ich „bespielt“ gesagt, mit so viel Leichtigkeit und Innovation gehen die beiden an das Brauen heran. Blitzsauber gebraute Biere, gute Laune, Originalität. Nett!

Aber keine Gasthausbrauerei, insofern regt sich jetzt der Hunger, und wir kehren in der Gastwirtschaft Blauensteiner „Zur Stadt Paris“ ein, einem Wiener Beisl, in dem die Zeit vor fünfzig Jahren stehen geblieben ist. Uralte Einrichtung, und uralte Gerichte, die man sonst auf der Speisekarte gar nicht mehr findet. Kalbsherz in Wurzelsoße? Vermutlich nur hier.

Gut gestärkt geht es zurück in den 16. Bezirk, in das unlängst erst eröffnete Brauwerk Wien, eine kleine, aber edle Handwerksbrauerei in Ergänzung zum großen Betrieb der Ottakringer Brauerei AG. Experimentelle Biere, cooles Ambiente, spannende Biergespräche mit einem Zapfer, der wirklich was vom Bier und vom Brauen versteht. Wir fühlen uns fast schon als Bestandteil der lokalen Hipsterszene. Nur Bärte müssen wir uns noch wachsen lassen. Einige von uns, jedenfalls.

Der Sonnabend beginnt erneut mit Kultur, aber zu einer fairen Zeit, nämlich erst nach der Mittagspause. Wir besichtigen das Österreichische Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum und lernen das Leben in Wien vor hundert Jahren kennen. Und anschließend verkosten wir in der Cafeteria das Museums, das heute extra für uns aufgemacht hat, ein gutes Dutzend Biere aus Österreich und der Slowakei. Die Kampagne für Gutes Bier hat es sich nicht nehmen lassen, uns zu dieser Verkostung einzuladen.

Viele kräftige Biere waren dabei, und so ist es nur gut, dass heute nur noch eine weitere Station auf dem Plan steht, nämlich das Lichtenthaler Bräu, eine ebenfalls noch sehr junge Brauerei, die aber mit ihren experimentellen Bieren schon Aufmerksamkeit erregt hat und von der Kampagne für Gutes Bier zum Sieger des Lokalaugenscheins 2015 gekürt worden ist. Wir verkosten die Biere, besichtigen den Gär- und Lagerkeller und genießen eine gute, deftige Küche. Ein schöner Tagesabschluss.

Sonntag, der 28. Februar 2016. Die Städtetour-de-Bier 2016 ist schon wieder vorbei. Vier Tage sind wie im Flug vergangen. Einige neue Brauereien und Bierbars haben wir erkundet, ein paar alte und bekannte Adressen erneut besucht und uns mit unseren guten Freunden von der Kampagne für Gutes Bier getroffen. Schön war es wieder, stellen wir während des traditionellen Abschluss-Frühschoppens fest, den wir dieses Mal im 7Stern Bräu bei höllisch scharfem Chilibier und psychedelisch-blumigem Hanfbier genießen.

Es hat sich gelohnt, mit ein paar Jahren Abstand mal wieder hierher zu kommen, und so, wie sich die Szene derzeit entwickelt, wird es bestimmt nicht noch einmal fünf Jahre dauern müssen, bis wir uns wieder hier treffen werden. Ein herzliches Dankeschön an Hans Rolf Linke, der diese Städtetour-de-Bier wie immer professionell vorbereitet und organisiert hat.

 

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